Bevor wir das oben genannte Thema als solches vertiefen, sollte an dieser Stelle die Grundsituation der Königinnenaufzucht in Deutschland eruiert werden:
Die größte Gruppe der deutschen Imker beteiligt sich nicht an der Zucht. Sie wird kostenfrei durch freie Anpaarung ihrer Königinnen mit den Drohnen aus der Umgebung an dem genetischen Zuchtfortschritt beteiligt, wobei dieser von Region zu Region unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann.
Ein wesentlich geringerer Teil der Imkerschaft beschäftigt sich mit der Produktion (wohlgemerkt n i c h t mit der Zucht) von Königinnen, indem sie sich Reinzuchtköniginnen von Züchtern oder Instituten beschafft und standbegattete Wirtschaftsköniginnen aufzieht. Teilweise kommen auch Insel- und Landbelegstellen für die gesicherte Anpaarung zum Einsatz.
Die kleinste Gruppe der Imker bildet dann die tatsächlichen Züchter. Dieser Personenkreis betreibt aus unserer Sicht eine wissenschaftliche Arbeit, die Leistungsbeurteilung, Selektion und Linieneinkreuzung beinhaltet. Die Erschaffung (und um nichts anderes handelt es sich hierbei) einer nachzuchtwürdigen Linie erfordert nicht selten Jahre, wobei niemand dem Züchter die Garantie geben kann, dass seine Anstrengungen, Investitionen der Resourcen Arbeit und Kapital, von Erfolg gekrönt sein werden.
Der Versuch - eingeläutet in den 50 er Jahren - die deutsche Landrasse durch Verbreitung der Carnica positiv und einheitlich zu beeinflussen, ist unseres Erachtens nach (nach ersten Erfolgen) heute als gescheitert anzusehen.
Der Hauptgrund hierfür liegt sicherlich in der konsequenten Abnahme der Imkerzahl, begleitet von der schrumpfenden Völkerzahl / Imker. Der Großteil dieser Imker gehört zur ersten der oben beschriebenen Gruppe - ihnen gegenüber steht allerdings ein berufsmäßig orientierter Kreis von Buckfastimkern, der eine entsprechend große Völkerzahl hält und darüber hinaus häufig regional weit auseinanderliegende Trachten anwandert.
Heute noch zu glauben, eine unkontrollierte, freie Königinverpaarung könne einen gewünschten Erfolg bringen, halten wir für sehr gewagt. Die deutsche Landbiene ist schon lange nicht mehr "carnicadominiert". Die optischen Bienenmerkmale in einer Durchschnittsimkerei lassen keinen Zweifel daran, dass die Buckfastbiene seit geraumer Zeit mit in unsere Landrasse eingegangen ist. Eine unkontrollierte Kreuzung von Carnica und Buckfast ist bei F1 - Generationen unproblematisch, ja oftmals sogar als positiv zu bewerten. Danach jedoch (F2 Generationen und weitere) zeigen sich viele unerwünschte Eigenschaften bei solchen Völkern.
Der Qualitätsverlust unserer Landrasse wird begünstigt durch falsch aufgestellte Schutzradien bei den Belegstellen. Man begnügt sich auf ein Übergewicht von Zuchtdrohnen gegenüber Fremddrohnen und verwertet dieses qualitativ fragwürdige Material für die Nachzucht. Wenn wir uns nun einmal die genetische Besonderheit der Mehrfachpaarung und des ausgeprägten Geschlechtsbestimmungsmechanismus vor Augen halten, muss die Arbeit unserer Belegstellen sehr kritisch bewertet werden.
Königinnenvermehrung durch Standbegattung ist aber leider noch schwerer durchzuführen, da wir hier weder die Drohnendichte noch die Drohnenqualität der Umgebung neutral und realistisch einstufen können.
An dieser Stelle möchte ich die Imkerkollegen bitten, sich zu solidarisieren. Wenn es mit den Völkern einmal nicht so klappt, wie wir es uns wünschen, verteufeln wir bitte nicht den Nachbarn, der mit einer uns unerwünschten Bienenrasse unsere Arbeit stört. Oft höre ich von Imkern (meistens "Alte Hasen"), sie hätten gelbe Streifen bei ihren Bienen festgestellt und seitdem "klappt es mit der Imkerei einfach nicht mehr ..." Für Fehler in unserer Imkerei sind immer nur wir zuständig.
Schon früh haben wir das Dilema erkannt und betrieben nach Dr. Liebig die Verdrängungszucht. So stellten wir im Märkischen Kreis 70 Wirtschaftsvölker auf und verstärkten diese mit einer zweiten Drohnenwabe, um das besagte Übergewicht von Zuchtdrohnen gegenüber Fremddrohnen (in unserem Fall Drohnen der Zuchtrichtung Carnica) zu erreichen. Regelmäßig kauften wir Material von namhaften Züchtern ein, um eine Zunahme der Inzucht zu unterbinden. Die Ergebnisse standen leider nicht im Verhältnis zu den eingebrachten Mühen, entsprachen doch mindestens 50 % der so geschaffenen Wirtschaftsköniginnen in keiner Weise unseren Erwartungen.
Der Versuch, den Bedarf an Wirtschaftsköniginnen durch Zukauf zu decken, schlug ebenfalls fehl, weil der Großteil der so erworbenen Mütter unsere eigenen Ergebnisse nicht nennenswert übertraf.
Es folgten weitere Versuche...
Nach vielen Rückschlägen in der Zuchtarbeit haben wir seit einigen Jahren im Hochsauerland einen Platz gefunden, der durch kühle Temperaturen und unattraktiver Höhenlage wirtschaftlich vertretbare Ernten nicht erwarten lässt und somit für die Imkerei unattraktiv ist.
Als einzige Imker stehen wir völlig isoliert auf einer Höhe von 471 m N. N. dar und verzichten so jedes Jahr bewusst auf einen Teil unserer Honigernte. Mit diesem Verlust können wir leben, sind wir doch nunmehr in der Lage, den eigenen Bedarf an guten Wirtschaftsköniginnen selber abzudecken.
Die Ergebnisse können sich seit einigen Jahren sehen lassen - die so produzierten Wirtschaftsköniginnen tragen diese Bezeichnung zurecht. Sammeleifer, Schwarmträgheit, Sanftmütigkeit und Vitalität der so erstellten Völker haben nicht nur uns überzeugt - unsere Bienen fliegen unter anderem auch in Frankreich, Spanien, Portugal, Niederlande, Polen und Litauen.
KURZ ZUSAMMENGEFASST:
Viele Imker behaupten steif und fest, dass bei der Königinnenvermehrung das mütterliche Erbgut dominiert. Sie lassen die teuer eingekauften unbegatteten Königinnen "einfach fliegen" und geben sich mit der Anpaarung mit eigenen Drohnen i. H. v. 40 - 50 % (im besten Fall) zufrieden.
Das Ergebnis kann nur unkritische Imker befriedigen. Sehen wir es einmal nur von der kaufmännischen Seite und denken uns hier einfach: "Überlassen wir die Genetik dem Wissenschaftler ..."
Mit jeder uneffektiven Wirtschaftskönigin verliert ein Bienenvolk an Produktivität. Die Sammelleistung nimmt rapide ab. Unterstellen wir einen realistischen Minderertrag von 10 kg Honig / Jahr, so verliert der Imker bei einem Verkaufsendpreis von durchschnittlich € 7,00 / kg Honig € 70,00 im Jahr. Wenn wir uns nun noch überlegen, dass eine Hochleistungskönigin zwei Jahre einen guten Dienst verrichten kann, sprechen wir immerhin von € 140,00 effektivem Minderertrag.
Von interessanten, ausdrücklich herausgezüchteten Neigungen wie Schwarmträgheit, Sanftmütigkeit und Vitalität wollen wir an dieser Stelle nicht reden. Diese Eigenschaften haben keinen monetären Wert.
€ 140,00 Verlust? So viel kann eine gute Wirtschaftkönigin gar nicht kosten!